Familienunternehmen - eine komplexe Geschichte

Drei Systeme

Das Familienunternehmen zeichnet sich durch die Verstrickung von drei Systemen aus: die Familie – das Unternehmen – das Vermögen. Jedes dieser drei Systeme wird von einer Reihe von unterschiedlichen Werten geleitet. In der Familie dominiert (im Guten und im Schlechten) das Band der Liebe, das Unternehmen basiert auf Kompetenz und Engagement und das Vermögen ist stark an das Konzept der Gerechtigkeit gebunden. Natürlich manifestieren sich diese Werte in jedem Einzelfall in vielfacher und unterschiedlicher Weise.

Selten unterscheiden die Mitglieder einer Unternehmerfamilie bewusst die drei Bereiche. Gerade in Zeiten der Krise und bei starkem emotionalen Engagement ist die Gefahr von Missverstädndnissen und Verwechslungen hoch. Das birgt ein hohes Risiko für das „Erfolgsmodell“ Familienunternehmen. Die Inszenierung einer System-Aufstellung kann einen wichtigen Beitrag leisten, um die Risiken zu begrenzen und die Chancen zur Geltung zu bringen. Familienmitglieder sind nämlich zu einem Maß an gegenseitigem Vertrauen und Unterstützung, Einsatz und Risikobereitschaft, sowie zu langfristigen Denken fähig, wie sie in einer anderen Unternehmensform nur selten vorkommen.

Wie läuft eine System-Aufstellung ab? Zuerst klärt man mit den Beteiligten die Frage, um die es geht und das zu erreichede Wunschziel. Dann kommt es zum heikelsten Schritt, der Wahl der Elemente für die Aufstellung. Eine bewährte Vorgehensweise ist, die Akteure in den drei Systemen in Beziehung zueinander zu setzen und die wichtigsten Werte, die ihr Verhalten in der kritischen Situation steuern, dazuzustellen.

Wir wollen Ihnen die Vorgehensweise an Hand eines konkreten Falles erläutern:

Das Thema

Die Gründerin eines Handelsunternehmens führt den Betrieb zusammen mit ihren zwei Söhnen. Es  kommt häufig zu Konflikten und es mangelt an der Zusammenarbeit.

Frage / Ziel

Wie können wir zu mehr Ruhe und produktiver Kooperation finden?

 

Familie

Unternehmen

Vermögen

Beteiligte

 Mutter, Vater, älterer Sohn  jüngerer Sohn, Ehefrau des älteren  Sohns, Lebensgefährtin des  jüngeren Sohnes, zwei Neffen  (Söhne des jüngeren Sohns)

 Gründerin: Leitung der  Finanzen
 älterer Sohn: Gschäfsteführer
 jüngerer Sohn: Filialleiter

 Aufteilung der  Unternehmensanteile:

 50% Gründerin, 27% älterer Sohn,  23% jüngerer Sohn,

 Die Immobilie gehört einer  separaten Gesellschaft, an der alle  zu gelichen Teilen beteiligt sind.

Werte

 Eltern und jüngerer Sohn:  Zusammenhalt

 Älterer Sohn: Unabhängigkeit

 Gründerin: Wirschaftliche  Entwicklung

 Ältester Sohn: Stabilität

Jüngster Sohn: Autonomie

 Einstimmig: Sicherheit

Die Beziehungen im Unternehmen

Der ältere Sohn fühlt sich von der Präsenz der Mutter erdrückt und empfindet dem Bruder gegenüber eine Mischung aus Neid und Vorwurf.

Stabilität ist für ihn eine wesentliche Stütze im Rücken.

Der jüngere Sohn fühlt sich weit entfernt, und weiß nicht recht, ob er ausgeschlossen wird oder aus freier Entscheidung so weit weg von den anderen steht.

Die Mutter und Gründerin wäre noch an der Entwicklung des Unternehmens interessiert, fühlt sich damit aber alleine gelassen.

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Im Laufe der Aufstellung hat sich die folgende Konstellation ergeben:

Die Mutter zieht sich zurück und meint: „Vielleicht finde ich andere Dinge, die ich in meinem Leben noch auf die Beine stellen kann.

Dies erlaubt dem jüngeren Sohn sich dem älteren zu nähern und im Unternehmen eine wichtigere Position einzunehmen.

Die Stabilität (jetzt an seiner Seite) wird für den Älteren zum Wert und ist nicht mehr eine Obsession.

Die Brüder können jetzt mit einem gewissen Abstand kommunizieren.

Die Beziehungen im Familiensystem:

Der ältere Sohn entfernt sich von der Familie, um die übertriebene Bindung im Unternehmen auszugleichen.

Die Mutter fühlt sich machtlos gegenüber dem Wunsch, die Familie zusammenzuhalten.

Der jüngere Sohn empfindet die eigenen Kinder als starke Motivation, um den familiären Zusammenhalt anzustreben.

Er fühlt sich jedoch nicht in der Lage den Bruder hereineinzuholen.

 

 

Die Mutter erkennt, dass sie den Mittelpunkt freigeben muss und will sich, zusammen mit ihrem Mann, um den familiären Zusammenhalt kümmern.

Als Reaktion fühlt der ältere Sohn den Impuls, sich umzudrehen und in Richtung Familie zu schauen.

Die Mutter erkennt, dass sie den Mittelpunkt freigeben muss und will sich, zusammen mit ihrem Mann, um den familiären Zusammenhalt kümmern.

Als Reaktion fühlt der ältere Sohn den Impuls, sich umzudrehen und in Richtung Familie zu schauen.

 

 

Die Deutung des Geschehens

In diesem spezifischen Fall haben wir auf die Darstellung des Systems der Eigentümer des Familienvermögens verzichten, da sich alle einig waren, dass dieses gut geregelt war.

So eine System-Afustellung ist für die Familienmitglieder, welche selbst als Stellverteter die verschiedenen Personen und Werte verkörpern, ein sehr aufschlussreiches Erlebnis. Bei der anschließenden Reflexion, haben sie mit Unterstützung des Beraters einige interessante Mechanismen erkannt:

  •  Die beiden Brüder verfolgen unterschiedliche Strategien, um Autonomie und Zusammenhalt in Einklang zu bringen: der Ältere sucht die Nähe im Unternehmen und sucht im Privaten den Abstand von der Familie, während der zweite Sohn nach Unabhängigkeit im Betrieb strebt und in der Familie die Nähe sucht.

  • Die zentrale Position der Mutter verhindert in beiden Systemen, dass die Söhnbe ihren Platz einnehmen und friedlich miteinander kommunizieren können.

Diese Erkenntnisse werden im Laufe des Workshops verarbeitet, um konkrete Maßnahmen zu beschließen. Die Außensicht des Beraters ist wesentlich, da die Familienmitglieder sonst leicht wieder in ihre gewohnten Muster zurückfallen. Im konkrete Fall wurde folgendes vereinbart:

  • Die Brüder treffen sich wöchentlich, ohne die Mutter, um den Verlauf des Unternehmens zu bespechen.

  • Es wurde eine schriftliche Vereinbarung unterzeichnet, worin die Verantwortungen genau aufgeteilt sind und es wurde eine Liste der Entscheidungen erstellt, welche einvernehmlich beschlossen werden müssen.

  • Es wurde beschlossen, einen Unternehmer-Familien-Kodex zu erarbeiten.

  • Die Mutter hat beschlossen, ihre Anwesenheit im Unternehmen um 1/3 zu reduzieren und sich einer eigenen Aktivität im Volontariat zu widmen.  

  • In einer monatlichen Team-Coaching-Sitzung werden die in der Zwischenzeit aufgetauchten Themen und Konflikte bearbeitet.

Zirka ein Jahr nach der Systemaufstellung hat sich die Lage deutlich verbessert. Die Mutter und Gründerin meinte:” Ich hätte mir nie vorgestellt, dass ich so leicht die Kontrolle des Unternehmens loslassen und neue Interessen finden könnte. Ich bin nicht immer mit den Entscheidungen meiner Söhne einverstanden, aber es kostet mich nicht viel, sie einfach machen zu lassen. Es gefällt mir sehr, dass auch mein jüngerer Sohn nun mehr Interesse für das Gesamtunternehmen zeigt und nicht nur für die Filiale, für die er direkt verantwortlich ist. Die Brüder haben gelernt, sich in einer konstruktiven Weise auseinanderzusetzen ohne bei der ersten Meinungsverschiedenheit mit Groll dem anderen den Rücken zu kehren. Wir haben Glück, dass das Unternehmen derzeit sehr gut läuft, ich bin mir aber auch sicher, dass wir jetzt auch schwierigere Angelegenheiten angehen und meistern könnten. Und ich könnte mich, so denke ich zumindest, mit meinen Ratschlägen zurückhalten und diese nur einbringen wenn sie auch erwünscht sind. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, bisher haben wir noch nicht alle heißen Themen besprochen, die im Unternehmer-Familien-Kodex geregelt werden sollen.”

Dies war nur eines von vielen Beispielen, wo eine Systemaufstellung einen entscheidenden Beitrag zur Lösung einer vertrackten Situation gebracht hat. Unbewusste Verhaltensmuster und starke Emotionen spielen in Familienunternehmen oft eine große Rolle und können in „normalen“ Gesprächen nur mit großer Mühe erkannt und geklärt werden. Mit Hilfe einer Management Constellation kann ein erfahrener Berater die Dinge mit verblüffender Klarheit und in kürzester Zeit auf den Punkt bringen.

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